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Russland, das große Hindernis auf dem Weg zur „American World“ (3)

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Aymeric Chauprade - Bildquelle: frontnational.com

Aymeric Chauprade – Bildquelle: frontnational.com

Aymeric Chauprade ist außenpolitischer Berater von Marine Le Pen und Delegationsleiter des Front National im Europäischen Parlament; er war zuvor Professor für Geopolitik an der französischen Kriegsakademie (1999 bis 2009) und Professor an der Universität Neuchâtel/Neuenburg.

Diese Studie erschien unter dem Titel La Russie, obstacle majeur sur la route de «l‘Amérique-monde» in der Zeitschrift Géostratégiques, Ausgabe Nr. 24 vom Juli 2009.

Die Übersetzung ins Deutsche für freies-oesterreich.net darf nur unter Anführung der vollständigen URL rebloggt werden.

[Fortsetzung von gestern]

Putin hatte ein sehr klares politisches Programm: Russland im Energiebereich wieder von dem ihm von außen auferlegten Druck zu befreien. Es ging darum, die Kontrolle über die Bodenschätze den Händen der Oligarchen zu entreißen, die sich nicht um die nationalen Interessen des russichen Staates kümmerten. Dies war nur möglich, indem leistungsfähige nationale Ölversorger (Rosneft) und Gasversorger (Gazprom) geschaffen wurden , die mit dem Staat verknüpft waren und im Einklang mit seinen strategischen Zielen handelten. Gegenüber dem heißen Eisen USA-China enthüllte Putin noch nicht seine Absichten und ließ sein Umfeld zunächst im Ungewissen. Einige Beobachter, darunter auch ich in meiner seinerzeitigen Analyse der russisch-amerikanischen Annäherung, die ich als nur vorübergehend und opportunistisch ansah, hatten von Anfang an begriffen, dass Putin daran war, eine russische Politik der Unabhängigkeit umzusetzen; andere dachten hingegen, er wäre ein Westler. Er musste zunächst den Tschetschenienkonflikt beenden und danach das Öl wieder in seine Hand bekommen. Die Aufgabe war schwer. Doch es gab ein offensichtliches Symptom, das belegte, dass Putin dabei war, die Grundlagen der russischen Politik wieder herzustellen: die Verbesserung der Beziehungen zum Iran, die Wiederaufnahme von Waffenlieferungen an dieses Land und die Wiederbelebung der Zusammenarbeit im Bereich der zivilen Kernenergie.

Warum war der Aufstieg Putins aber so bedeutsam? Ohne dass dies seinerzeit besonders bemerkt wurde, bedeutete sein Aufstieg, dass ohne die weitere Integration Russlands in die transatlantische Sphäre eine amerikanische Unipolarität hinkünftig zum Scheitern verurteilt sein würde, und mit ihr auch die Langzeitstrategie, China in die Knie zu zwingen und der Entstehung einer multipolaren Welt vorzubeugen.

Ferner begriffen viele Europäer nicht, dass Putin der Hoffnungsträger für jene war, die den Herausforderungen des globalen wirtschaftlichen Wettbewerbs etwas entgegenstellen wollten, und zwar auf der Basis von Identität und Nationalkultur. Die Amerikaner begriffen dies jedenfalls viel eher als die Westeuropäer. George Bush sprach es deutlich aus, als er Putin als einen Mann bezeichnete, der tief von dem Glauben durchdrungen sei, im Interesse seines Landes zu handeln.

Am 11. September 2001 bot sich dann den USA die Gelegenheit, ihr Programm der Unipolarität zu beschleunigen. Im Namen des Kampfes gegen ein Übel, das sie selber produziert hatten, konnten sie die Europäer in einer beispiellosen Solidaritätsaktion hinter sich vereinen (wovon der Atlantismus profitierte, die „europäische Macht“ hingegen kaum), eine wirtschaftliche Annäherung an Moskau erzielen (um den tschetschenisch-islamistischen Separatismus zu beseitigen) und China angesichts einer russisch-amerikanischen Entente in den moslemischen ehemaligen Sowjetrepubliken und teils auch in Afghanistan zu einem Zurückstecken in Zentralasien veranlassen; dazu kam noch ein starkes Engagement in Südostasien.

Aber die Euphorie der USA in Zentralasien dauerte nur vier Jahre lang an. Die Angst vor einer Farbrevolution in Usbekistan veranlasste die dortigen Machthaber, die eine Zeitlang versucht hatten, sich als Großmacht in Zentralasien und als Gegengewicht zum russischen großen Bruder aufzuspielen, die Amerikaner wieder aus dem Land zu jagen und sich stattdessen an Moskau anzunähern. Washington verlor in der Folge, beginnend mit dem Jahr 2005, etliche Positionen in Zentralasien, während es in Afghanistan, trotz aller Ersatzkontigente der europäischen Staaten, die sich wieder einmal von den USA gängeln ließen, mehr und mehr an Terrain an die Allianz von Talibans und Pakistan verlor, welche leise hinter den Kulissen von den Chinesen unterstützt wird, denen es natürlich nur recht sein konnte, wenn die USA aus Zentralasien verdrängt würden.

Die Chinesen haben andererseits Aussicht auf Anteile an den kasachischen Erdöl- und den turkmenischen Gasvorkommen, was wiederum zur infrastrukturellen Erschließung des chinesischen Teils von Turkestan (Xinjiang) beitragen würde. Peking hofft ferner auf Energieversorgung aus Russland, das in Zukunft seine Energielieferungen wohl zwischen Europa und Asien aufteilen wird (neben China zählen zu den Empfängerstaaten u.a. auch Japan, Südkorea und Indien).

Das Spiel Putins schien von nun an gut zu laufen. Er konnte mit Washington eine Übereinkunft zur Bekämpfung des Terrorismus erzielen, der Russland ebenso hart traf wie die Amerikaner. Er hatte aber andererseits nicht die Absicht, auf berechtigte Ansprüche von Russland zu verzichten, wie etwa die Ablehnung einer Aufnahme von Georgien und der Ukraine in die NATO (die Russen betrachten die Ukrainer als ein Brudervolk, die Ukraine und die Krim [Anm.d.Übers.: dieser Artikel wurde im Jahre 2009 geschrieben!] bedeutet für sie Öffnung nach Europa und Zugang zum Mittelmeer über das Schwarze Meer). Und wenn die Unabhängigkeit des Kosovo durch die USA und die Staaten der Europäischen Union unterstützt werden konnte, warum sollten nicht auch die Russen das Recht haben, die Unabhängigkeit von Südossetien und Abchasien zu unterstützen, zumal die betroffenen Völker selbst die Trennung von Georgien anstrebten?

Mackinder hatte Recht. Im großen Spiel um Eurasien kommt Russland die Schlüsselrolle zu. Es ist Putins Politik, viel mehr als jene Chinas (obwohl China als potentielle erste Weltmacht das Hauptziel Washingtons ist), welche Washington den Weg blockiert hat. Es ist diese Politik, welche eine Energieachse Moskau (Zentralasien)-Teheran-Caracas hergestellt hat, in deren Händen allein ein Viertel der nachgewiesenen Ölreserven der Erde und fast die Hälfte der weltweiten Gasvorkommen (denen als Energiequelle wachsende Bedeutung zukommt) liegt. Diese Achse ist das Gegengewicht zum arabischen Erdöl und Erdgas, das von den USA beherrscht wird. Washington wollte China niederringen, indem er seine Energiezufuhren unter seine Kontrolle brachte. Aber selbst wenn die USA Saudi-Arabien und den Irak (und somit die stärksten und drittstärksten Ölreserven der Welt) in der Hand haben, können sie weder Russland beherrschen noch den Iran, noch Venezuela oder Kasachstan – im Gegenteil, diese Länder rücken jetzt noch enger zusammen. Sie wollen gemeinsam die Vorherrschaft des Petrodollars brechen, welcher den Sockel der Zentralmacht des Dollars im Weltwirtschaftssystem darstellt. Es ist jener Sockel, der es den USA erlaubt, ihr kolossales Haushaltsdefizit von den Europäern mitfinanzieren zu lassen und ihre bankrotten Investmentbanken mit frischem Geld zu versehen.

Es besteht kein Zweifel, dass Washington versuchen wird, diese russische Politik in die Knie zu zwingen, indem es weiterhin Druck auf die russische Peripherie ausübt. Die Amerikaner werden versuchen, terrestrische Energievorsungseinrichtungen (Öl- und Gaspipelines) als Alternativen zum russischen Netz zu errichten, das sich über den ganzen eurasischen Kontinent ausdehnt und Westeuropa ebenso wie Asien versorgt. Aber was kann Washington gegen das energetische und strategische Herz Eurasiens unternehmen? Russland ist eine Atommacht. Die Europäer, sofern sie vernünftig sind und sich nicht zu sehr durch die Fehlinformationen der US-Medien blenden lassen, wissen, dass sie Russland mehr brauchen als Russland sie. Andererseits verlangt ein rapides Wirtschaftswachstum in ganz Asien nach mehr und mehr russischem und iranischem Erdöl und Erdgas.

Unter diesen Bedingungen und in Anbetracht einer sich anbahnenden Multipolarität täten die Europäer gut daran, endlich aufzuwachen. Wird die tiefe Wirtschaftskrise, in der sie zu versinken scheinen, zu einem solchen Erwachen führen? Hoffen wir, dass die schmerzhaften Probleme, mit denen sich die Menschen in Europa in den kommenden Jahrzehnten konfrontiert sehen werden, zumindest diese positive Auswirkung mit sich bringen.


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